Cannabisblüten mit Zitrusfrüchten, Tannenzapfen und Hanfblättern – Symbolbild für Terpene und Aromen

Cannabinoide und Terpene im Medizinal-Cannabis: Chemie, Wirkung und Anwendung

Terpene und Cannabinoide im medizinischen Cannabis sind die beiden Hauptwirkstoffgruppen, die für die therapeutische Wirkung der Pflanze verantwortlich gemacht werden. Während Cannabinoide direkt mit dem körpereigenen Endocannabinoid-System interagieren, beeinflussen Terpene das Wirkungsspektrum indirekt – etwa durch Duft, Geschmack und mögliche pharmakologische Effekte. Beide Stoffklassen wirken nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel, was als sogenannter Entourage-Effekt beschrieben wird. Dieser Artikel bietet einen wissenschaftlich fundierten Überblick über die wichtigsten Terpene und Cannabinoide, ihre Eigenschaften, medizinische Anwendungen und physikalischen Merkmale wie Siedepunkte.

Wichtige Cannabinoide: Struktur, Wirkung und Anwendung

Cannabinoide sind lipophile Moleküle, die überwiegend in den Drüsenhaaren (Trichomen) der weiblichen Cannabisblüten gebildet werden. Ihre Hauptwirkung entfalten sie über die Bindung an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB21.

Übersicht der wichtigsten Cannabinoide

Cannabinoid Wirkung Medizinische Anwendung Siedepunkt
THC (Δ9-Tetrahydrocannabinol) Agonist an CB1 und CB2, psychoaktiv Analgesie, Spasmolyse, Antiemese, Appetitanregung ~157°C
CBD (Cannabidiol) Allosterischer Modulator, nicht psychoaktiv Anxiolyse, Antikonvulsivum, Entzündungshemmung ~160–180°C
CBN (Cannabinol) Leicht psychoaktiv, oxidiertes Abbauprodukt von THC Sedativum, neuroprotektiv ~185°C
CBC (Cannabichromen) Interagiert mit TRP-Kanälen, nicht psychoaktiv Entzündungshemmend, schmerzlindernd (präklinisch) ~220°C
THCV (Tetrahydrocannabivarin) Antagonist an CB1, in höheren Dosen agonistisch Appetithemmung, Stoffwechselmodulation (in Forschung) ~220°C

Hinweis: Die genaue pharmakologische Wirkung kann je nach Dosis, Applikationsform und individueller Patientenantwort variieren. Viele Effekte wurden bisher überwiegend in Tiermodellen oder in-vitro-Systemen untersucht2.

Terpene: Aromastoffe mit pharmakologischer Wirkung

Was sind Terpene?

Terpene sind eine große Klasse natürlicher Verbindungen, die aus sogenannten Isopreneinheiten aufgebaut sind. Sie kommen in nahezu allen Pflanzen vor und sind für deren charakteristischen Duft und Geschmack verantwortlich. Auch in Cannabis sind sie in hoher Konzentration vorhanden – dort werden sie gemeinsam mit Cannabinoiden in den Trichomen (Harzdrüsen) der Pflanze produziert3.

In der Pflanzenwelt übernehmen Terpene vielfältige Aufgaben: Sie dienen der Abwehr von Schädlingen, schützen vor Mikroorganismen und helfen durch ihre Duftwirkung dabei, Bestäuber anzulocken. Neben ihrer Rolle im Pflanzenstoffwechsel sind Terpene auch für den Menschen von Bedeutung – etwa in der Aromatherapie, der Parfüm- und Kosmetikindustrie sowie in der Lebensmittel- und Pharmaherstellung.

Viele der in Cannabis enthaltenen Terpene finden sich auch in anderen bekannten Pflanzen und Lebensmitteln4:

  • Limonen: Zitrusartig, in Zitronen- und Orangenschalen enthalten
  • Linalool: Blumiger Duft, Hauptbestandteil von Lavendel
  • α-Pinen: Harzig-frisch, kommt in Kiefernnadeln und Rosmarin vor
  • Eukalyptol: (1,8-Cineol): Frisch-kühlend, typischer Bestandteil von Eukalyptus und Minze

Diese Terpene können – je nach Zusammensetzung und Konzentration – auch die Wirkung von Cannabis beeinflussen, indem sie mit Cannabinoiden zusammenwirken oder selbst pharmakologische Effekte auslösen, wie etwa beruhigend, entzündungshemmend oder antibakteriell.

Übersicht der wichtigsten Terpene

Terpen Duftprofil Potenzielle Wirkung Siedepunkt
Myrcen Erdiger, moschusartiger Geruch Sedierend, muskelrelaxierend, potenziell durchlässigkeitssteigernd für die Blut-Hirn-Schranke ~166 °C
Limonen Zitrusartig (Orange, Zitrone) Anxiolytisch, antimikrobiell, stimmungsaufhellend ~176 °C
Linalool Blumig (Lavendel) Sedierend, anxiolytisch, antikonvulsiv ~198 °C
Caryophyllen Pfeffrig, würzig Entzündungshemmend, selektiver CB2-Agonist ~130 °C
Pinene Kiefernartig Bronchodilatatorisch, wachheitsfördernd, möglicherweise antientzündlich ~155 °C
Humulen Hopfenartig, holzig Appetithemmend, antibakteriell, entzündungshemmend ~198 °C
Terpinolen Kräuterig, holzig, blumig Leicht sedierend, antioxidativ ~185 °C
Ocimen Süß, blumig Antifungal, entzündungshemmend ~100–130 °C
Geraniol Rosenartig Antioxidativ, antibakteriell, neuroprotektiv ~230 °C
Farnesen Fruchtig, süß Antimikrobiell, antioxidativ ~125 °C
Eucalyptol (1,8-Cineol) Frisch, minzig Schmerzlindernd, entzündungshemmend ~176 °C
Bisabolol Blumig, süß Antientzündlich, hautberuhigend ~153 °C
Camphen Scharf, erdig Antioxidativ, antibakteriell ~159 °C
Valencen Zitrusartig, holzig Entzündungshemmend, insektenabweisend ~123 °C
Sabinen Würzig, holzig Antioxidativ, antimykotisch ~163 °C

Diese Terpene sind nicht nur aromatisch aktiv, sondern können über verschiedene Rezeptorensysteme auch pharmakologische Wirkungen entfalten, z. B. über GABA-, Serotonin- oder Vanilloidrezeptoren.

Siedepunkte und Wirkung

Die Siedepunkte einzelner Cannabinoide und Terpene variieren deutlich und sind für die medizinische Anwendung von großer Bedeutung. Durch gezielte Temperatursteuerung bei der Vaporisation lassen sich bestimmte Inhaltsstoffe bevorzugt aktivieren, während andere unterhalb ihres Siedepunkts verbleiben5.

230 °C 200 °C 175 °C 150 °C 125 °C 100 °C

Wähle eine Verbindung

Siedepunkt: 157 °C

Wirkung: Psychoaktiv, schmerzlindernd, appetitanregend

Fazit

Die differenzierte Betrachtung von Cannabinoiden und Terpenen ermöglicht es, Medizinal-Cannabis gezielt und indikationsspezifisch einzusetzen. Während THC und CBD mittlerweile gut erforscht sind, rücken weitere Cannabinoide wie CBN oder THCV sowie Terpene zunehmend in den Fokus klinischer Studien2.

Für medizinische Fachkreise und Patienten eröffnet das Wissen über chemische Eigenschaften wie Siedepunkte oder interaktive Effekte eine fundierte Grundlage für die Auswahl geeigneter Sorten und Darreichungsformen – etwa durch gezielte Vaporisation bei bestimmten Temperaturen oder durch Kombination von Inhaltsstoffen5.

Häufige Fragen

Was sind Cannabinoide?
Cannabinoide sind lipophile, bioaktive Moleküle, die natürlicherweise in den Trichomen (Harzdrüsen) der weiblichen Cannabisblüte vorkommen. Sie interagieren mit dem menschlichen Endocannabinoid-System, insbesondere mit den CB1- und CB2-Rezeptoren. Zu den bekanntesten Cannabinoiden zählen THC, CBD, CBN, CBC und THCV6.
Wie wirken Cannabinoide im Körper?
Cannabinoide binden an spezifische Rezeptoren im Körper: CB1-Rezeptoren befinden sich überwiegend im Gehirn und Zentralnervensystem. CB2-Rezeptoren kommen vor allem in Immunzellen und peripherem Gewebe vor. Je nach Struktur und Rezeptorbindung entfalten Cannabinoide unterschiedliche Wirkungen – etwa schmerzlindernd, entzündungshemmend, krampflösend oder appetitanregend6.
Was ist der Unterschied zwischen THC und CBD?
THC (Δ9-Tetrahydrocannabinol) ist psychoaktiv und wirkt hauptsächlich über CB1-Rezeptoren. CBD (Cannabidiol) ist nicht psychoaktiv und wirkt als allosterischer Modulator vieler Rezeptoren, darunter auch GABA, Serotonin und Vanilloid-Rezeptoren7. CBD kann einige der psychoaktiven Effekte von THC abschwächen und wird häufig für seine beruhigenden und entzündungshemmenden Eigenschaften genutzt.
Was sind Terpene?
Terpene sind aromatische Moleküle, die in vielen Pflanzen – auch im Cannabis – vorkommen. Sie sind für den Geruch und Geschmack verantwortlich, können aber auch pharmakologische Wirkungen entfalten (z. B. entzündungshemmend oder sedierend)8. Terpene wie Limonen, Linalool, Myrcen und Caryophyllen kommen auch in Lavendel, Zitrusfrüchten oder Pfeffer vor.
Was ist der Entourage-Effekt?
Der Entourage-Effekt beschreibt die synergetische Wirkung von Cannabinoiden und Terpenen im Zusammenspiel. Anstatt isoliert zu wirken, entfalten die Stoffe gemeinsam eine verstärkte oder modifizierte therapeutische Wirkung, was bei der medizinischen Anwendung gezielt genutzt werden kann6,7.
Warum sind Siedepunkte bei medizinischem Cannabis wichtig?
Die verschiedenen Cannabinoide und Terpene verdampfen bei unterschiedlichen Temperaturen. Durch die präzise Steuerung der Vaporisationstemperatur können gezielt bestimmte Wirkstoffe aktiviert werden: THC: ~157 °C CBD: ~160–180 °C Myrcen: ~166 °C Linalool: ~198 °C Dies erlaubt eine individuell abgestimmte Wirkstofffreisetzung bei der Inhalation9.
Welche Applikationsformen gibt es für medizinisches Cannabis?
Die gebräuchlichsten Darreichungsformen sind: Inhalation (Vaporisation) – schneller Wirkungseintritt, präzise Steuerung der Wirkstoffe durch Temperaturwahl Orale Einnahme (Öle, Kapseln, Extrakte) – längere Wirkungsdauer, aber verzögerter Eintritt Sublingual (unter der Zunge) – schnellerer Wirkungseintritt als oral Topische Anwendung (Salben, Cremes) – lokal begrenzte Wirkung
Welche medizinischen Anwendungen haben Cannabinoide und Terpene?
THC: Schmerztherapie, Spastik, Übelkeit, Appetitlosigkeit CBD: Angststörungen, Epilepsie, Entzündungen CBN: Schlafstörungen, Neuroprotektion Terpene wie Limonen oder Linalool: beruhigend, antidepressiv, schmerzlindernd (je nach Kombination)8,10
Sind Terpene selbst pharmakologisch aktiv?
Ja. Viele Terpene wirken über bekannte Rezeptor-Systeme: GABA-Rezeptoren (z. B. Linalool → beruhigend) Serotonin-Rezeptoren (z. B. Limonen → stimmungsaufhellend) Vanilloid-Rezeptoren (z. B. Caryophyllen → entzündungshemmend)7,8
Gibt es Nebenwirkungen bei der Verwendung von medizinischem Cannabis?
Mögliche Nebenwirkungen hängen von der Zusammensetzung, Dosierung und individuellen Empfindlichkeit ab. Dazu gehören: Müdigkeit oder Benommenheit Mundtrockenheit Schwindelgefühl Appetitsteigerung oder -hemmung (je nach Inhaltsstoff) In seltenen Fällen: Paranoide Zustände bei THC7,10
Welche Cannabinoide sind noch in der Forschung relevant?
Neben THC und CBD gewinnen zunehmend auch andere Cannabinoide an Bedeutung: CBG (Cannabigerol): potenziell entzündungshemmend, antibiotisch THCV: appetithemmend, metabolisch wirksam CBC: stimmungsaufhellend, neuroprotektiv Die meisten davon befinden sich noch in der präklinischen oder frühen klinischen Forschung6.
Welche Rolle spielt die individuelle Patientenreaktion?
Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Cannabiswirkstoffe. Faktoren wie Genetik, Stoffwechsel, Geschlecht, Alter und Erkrankung beeinflussen die Wirkung. Eine individuelle Anpassung von Sorte, Dosierung und Applikationsform ist daher essenziell10.
Wie wählt man die richtige Sorte medizinischen Cannabis aus?
Die Auswahl richtet sich nach: Wirkstoffprofil (Cannabinoid- und Terpengehalt) Indikation (z. B. chronischer Schmerz, Schlafstörung, Angst) Patientenreaktion und bisherige Erfahrungen Ein erfahrener Arzt oder Apotheker sollte bei der Auswahl beratend zur Seite stehen6,7.

Quellenangaben

  1. Russo, E. B. (2011). Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid‑terpenoid entourage effects. British Journal of Pharmacology, 163(7), 1344–1364. https://bpspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1476-5381.2011.01238.x
  2. Hanuš, L. O., et al. (2016). Phytocannabinoids: a unified critical inventory. Natural Product Reports, 33(12), 1357–1392. https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2016/np/c6np00074f
  3. Booth, J. K., & Bohlmann, J. (2019). Terpene synthases from Cannabis sativa. PLOS ONE, 14(3), e0213911. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0213911
  4. ElSohly, M. A., et al. (2017). Phytochemistry of Cannabis sativa L. Progress in the Chemistry of Organic Natural Products, 103, 1–36. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-319-45541-9_1
  5. Hazekamp, A. (2018). The Trouble with Vaporizing Cannabis. Cannabis and Cannabinoid Research, 3(1), 134–140. https://www.liebertpub.com/doi/full/10.1089/can.2018.0008
  6. Citti, C., Braghiroli, D., Vandelli, M. A., & Cannazza, G. (2018). Phytocannabinoids: Structure and bioactivity. Molecules, 23(10), 2478. https://www.mdpi.com/1420-3049/23/10/2478
  7. Ferber, S. G., et al. (2020). The "Entourage Effect": Terpenes Coupled with Cannabinoids for the Treatment of Mood Disorders and Anxiety Disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7352442/
  8. Nuutinen, T. (2018). Medicinal properties of terpenes found in Cannabis sativa and Humulus lupulus. European Journal of Medicinal Chemistry, 157, 198–228. https://doi.org/10.1016/j.ejmech.2018.07.076
  9. Gülck, T., & Møller, B. L. (2020). Phyto-cannabinoids: Origins and biosynthesis. Trends in Plant Science, 25(10), 985–1004. https://doi.org/10.1016/j.tplants.2020.06.001
  10. Baron, E. P. (2018). Medicinal properties of cannabinoids, terpenes, and flavonoids in Cannabis, and benefits in migraine, headache, and pain: An update on current evidence and cannabis science. Headache, 58(7), 1139–1186. https://doi.org/10.1111/head.13345

Weitere Artikel

Disclaimer und Rechtliches

Der Artikel dient lediglich dem Zweck der Informationsweitergabe und ersetzt keine medizinische Beratung durch einen Arzt. Die Inhalte sollen weder zur Eigendiagnose oder -behandlung motivieren noch zur selbstständigen Änderung der bisherigen medizinischen Behandlung verleiten. Canify Clinics spricht keine Empfehlungen aus und bewirbt auch keine spezifischen diagnostischen Methoden oder Behandlungen. Sollten Sie eine Änderung Ihrer Therapie wünschen, ist dies immer mit einem Arzt zu besprechen. Darüber hinaus kann Canify Clinics die Richtigkeit, Aktualität und Ausgewogenheit der Inhalte nicht garantieren. Daher übernehmen sowohl die Autoren der Texte als auch Canify Clinics keine Haftung für Schäden, die aus der selbstständigen Anwendung der hier beschriebenen Informationen entstehen.