Cannabisprodukte gegen Schmerzen

Studien beschäftigen sich neben vielen anderen Anwendungsgebieten auch mit der möglichen Wirkung von Cannabisprodukten gegen Schmerzen.

Cannabisprodukte gegen Schmerzen

Cannabisprodukte gegen Schmerzen

Cannabis wird seit Jahrtausenden in unterschiedlichen Kulturen als Arzneimittel angewendet und mit den liberaler werdenden Gesetzen in vielen Ländern widmet sich auch die medizinische Forschung wieder vermehrt den gesundheitsfördernden Eigenschaften der Cannabispflanze. Studien beschäftigen sich neben vielen anderen Anwendungsgebieten auch mit der möglichen Wirkung von Cannabisprodukten gegen Schmerzen. In Deutschland darf medizinisches Cannabis seit 2017 unter bestimmten Voraussetzungen an Patient*innen verschrieben werden.

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Die Geschichte von Cannabis als Schmerzmittel

Die schmerzstillenden Eigenschaften von Cannabis sind schon seit tausenden von Jahren bekannt. Die ältesten Hinweise für die medizinische Nutzung der Pflanze wurden in China entdeckt, wo sie vordergründig zur Behandlung von rheumatischen Schmerzen, aber auch gegen Verstopfung und Malaria eingesetzt wurde. Darüber hinaus wird dem berühmten chinesischen Arzt Hua T´o (110-207 n. Chr.) zugeschrieben, die Cannabispflanze zusammen mit Wein zur Betäubung von Patienten bei chirurgischen Eingriffen verwendet zu haben.

Ab etwa 1000 v. Chr. wurde Cannabis auch in Indien genutzt. Die Pflanze wurde hier allerdings nicht nur zur Linderung von Nerven-, Kopf-, und Zahnschmerzen und anderen Leiden eingesetzt, sondern auch bei religiösen Riten. Später verbreitete sich Cannabis auch im Nahen Osten, in Afrika und Amerika und auch in diesen Regionen wird von der schmerzstillenden Wirkung bei Ohren- und Zahnschmerzen und Menstruationsbeschwerden berichtet1.

In Europa wurde Cannabis zunächst zur Gewinnung von Fasern für die Herstellung von Seilen, Textilien usw. angebaut. Doch ab dem 19. Jahrhundert wurde Cannabis auch in Europa im medizinischen Kontext angewendet.  Eine der Eigenschaften von Cannabis, die in der Literatur im 20. Jahrhundert beschrieben wurden, war die schmerzlindernde Wirkung, und es gab bereits entsprechende Cannabisprodukte gegen Schmerzen, die in Apotheken verkauft wurden1.

Im Jahr 1925 wurde Cannabis dann schließlich mit einem Abkommen der zweiten internationalen Opiumkonferenz in Genf verboten2.

Damit war die Grundlage der weltweit restriktiven Drogenpolitik geschaffen und auch die Verwendung von Cannabis-Arzneimitteln war verboten. In einigen Ländern ist medizinisches Cannabis heute allerdings wieder erlaubt. Daher können sich auch internationale Forschungsteams dem Nutzen von medizinischem Cannabis wieder vermehrt widmen. Heute sind chronische Schmerzen in Deutschland die häufigste Indikation für die Verschreibung von Cannabis.

Cannabisprodukte gegen Schmerzen

Wie wirkt Cannabis als Schmerzmittel?

Expert*innen gehen davon aus, dass sich die Wirkung von Cannabisprodukten gegen Schmerzen dadurch erklären lässt, dass Cannabinoide wie THC und CBD mit dem Endocannabinoidsystem des Körpers interagieren3.

Das Endocannabinoidsystem

Das Endocannabinoidsystem (ECS) ist ein Regulationssystem, das aus Rezeptoren für körpereigene Cannabinoide besteht. Diese so genannten Endocannabinoide können die Rezeptoren bei Bedarf aktivieren und bestimmte Prozesse beeinflussen. Zu diesen Prozessen zählen unter anderem das Schmerzempfinden, die Emotionsregulation, der Schlaf sowie die Immunabwehr.

Darüber hinaus können aber auch die Wirkstoffe der Cannabispflanze (Phytocannabinoide) an diese Rezeptoren binden, sie aktivieren und daher ähnliche Wirkungen hervorrufen. Insgesamt enthält die Cannabispflanze mehr als 100 Cannabinoide, wovon bislang nur wenige erforscht wurden. THC und CBD sind die am häufigsten vorkommenden und die am besten untersuchten Phytocannabinoide.

Die wichtigsten Rezeptoren sind die Cannabinoid-Rezeptoren 1 (CB1) und 2 (CB2).  Es wird angenommen, dass beide bei ihrer Aktivierung schmerzlindernd wirken. CB1 kommt im zentralen Nervensystem sehr häufig vor, während CB2 in Immunzellen sehr häufig vertreten ist. Beide Rezeptoren sind über den ganzen Körper verteilt.3

Bei welchen Schmerzen kommt medizinisches Cannabis zum Einsatz?

Medizinisches Cannabis ist kein Allheilmittel – und sollte daher auch mit Bedacht eingesetzt werden. Die meisten Verschreibungen von medizinischem Cannabis werden für chronische Schmerzen ausgestellt und insbesondere die Wirkung auf neuropathische Schmerzen wird durch wissenschaftliche Studien belegt.  Ob Cannabis bei akuten Schmerzen wirksam ist, ist eher zweifelhaft 4,5,6,7.

Die Wirkung von Cannabinoiden auf chronische Schmerzen

Man geht davon aus, dass THC das wichtigste schmerzstillende Cannabinoid ist, aber auch CBD trägt zur schmerzstillenden Wirkung bei. Außerdem scheint die Kombination dieser beiden Cannabinoide die positiven Wirkungen zu verstärken und gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen von THC zu verringern. Einer der Mechanismen, die an der schmerzlindernden Wirkung von Cannabinoiden beteiligt sind, ist die Verringerung der Freisetzung von Neurotransmittern durch die Neuronen, wodurch sich das Schmerzempfinden verändert.8

Studien geben Hinweise darauf, dass Cannabis nicht klassisch schmerzlindernd wirkt. Vielmehr trägt es dazu bei, dass Patient*innen die Schmerzen als weniger störend empfinden9. Der Schmerz verschwindet also nicht, wird aber durch die Cannabinoidtherapie als weniger unangenehm wahrgenommen.

Wie werden Cannabisprodukte gegen Schmerzen angewendet?

Cannabis kann eine wertvolle Unterstützung in der Schmerztherapie sein. Cannabisprodukte gegen Schmerzen können ergänzend zu regulären Medikamenten, z. B. Opioiden, verschrieben werden. Vor allem Patient*innen, die durch herkömmliche Therapieansätze keine ausreichende Linderung erlangen, können von den Möglichkeiten einer ergänzenden Cannabinoidtherapie profitieren.

Auch für Personen, die unter den teils sehr unangenehmen Nebenwirkungen der Opioide leiden, kann die Schmerztherapie mit Cannabinoiden Vorteile mit sich bringen10. Im Optimalfall kann die Dosierung der Opioide durch die veränderte Schmerzwahrnehmung reduziert werden, wodurch wiederum Nebenwirkungen und die Gefahr einer Opioid-Abhängigkeit verringert werden können.

Weitere Vorteile

Verschiedene Studien weisen zudem darauf hin, dass Phytocannabinoide die Nebenwirkungen der starken Schmerzmittel und Folgesymptome der chronischen Erkrankungen abmildern könnten:

  • Übelkeit und Erbrechen sind eine häufige Nebenwirkung der Opioidtherapie. Studien zur Behandlung mit Cannabis während der Chemotherapie haben ergeben, dass Cannabis Übelkeit und Erbrechen lindern konnte6.

  • Einige Patient*innen leiden durch den andauernden starken Schmerz unter Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, zudem zählt ein geminderter Appetit ebenfalls zu den häufigen Nebenwirkungen einer Schmerztherapie mit Opioiden. Cannabis wirkt nachweislich appetitanregend.6

  • Viele Schmerzpatient*innen erkranken als Folge ihrer chronischen Schmerzen an einer Depression. Laut einer deutschen Untersuchung werden 2,8 % der Cannabis-Medikamente wegen Depressionen verschrieben5.

  • Schlafstörungen sind keine Seltenheit unter chronisch erkrankten Personen und belasten zusätzlich. Forschungsteams weisen auf die mögliche schlaffördernde Wirkung von medizinischem Cannabis hin11.

Anwendungsformen von Cannabis gegen Schmerzen

Cannabisprodukte gegen Schmerzen und andere Erkrankungen und Symptome sind in verschiedenen Anwendungsformen verfügbar:

  • Inhalation: Werden die Cannabispräparate über die Lunge aufgenommen, gelangen sie schnell in den Blutkreislauf und sorgen dafür, dass die Wirkung schnell eintritt. Aufgrund der krebserregenden Verbrennungsprodukte beim Rauchen empfehlen Mediziner*innen die Inhalation mit einem Vaporisator.

  • Orale Einnahme: Medizinische Cannabispräparate werden auch als Medikamente zur oralen Einnahme hergestellt. So können Patient*innen das Medikament in Form von Tabletten, Kapseln, Ölen oder alkoholischen Tinkturen einnehmen. Schmerzpatient*innen bevorzugen die orale Einnahme häufig aufgrund der genauen Dosierbarkeit und der längeren Wirkdauer.

  • Oromukusale Anwendung: Eine weitere Anwendungsform ist die Aufnahme über die Mundschleimhaut. Dabei werden Tropfen unter die Zunge gegeben. So gehen die aktivierten Wirkstoffe direkt in den Blutkreislauf über und bringen eine schnelle Wirksamkeit mit sich, außerdem wird ein Teil des Medikaments geschluckt und über den Verdauungstrakt aufgenommen.

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Bei welchen Schmerzen wird Cannabis eingesetzt?

Cannabisprodukte gegen Schmerzen

Cannabisprodukte gegen Schmerzen werden in erster Linie bei chronischen Schmerzen verschrieben. Insbesondere bei neuropathischen Schmerzen gibt es in der Literatur gute Hinweise auf eine Wirkung von Cannabis. Die Wirkung bei akuten Schmerzen ist zweifelhaft.

Eignet sich CBD oder THC gegen Schmerzen?

Cannabisprodukte gegen Schmerzen

THC gilt als das wichtigste schmerzlindernde Cannabinoid, aber auch CBD hat eine schmerzlindernde Wirkung. Beide verändern das Schmerzempfinden, sodass es als weniger störend empfunden wird. Beide Cannabinoide wirken synergetisch, d. h. die positiven Wirkungen werden verstärkt und die negativen Nebenwirkungen von THC werden verringert, wenn sie zusammen eingenommen werden.

Quellenangaben

  1. 1Zuardi, A. W. History of cannabis as a medicine: A review. Revista Brasileira de Psiquiatria vol. 28 153–157 (2006).
  2. 2Kirsten R. Müller-Vahl, Franjo Grotenhermen. Cannabis und Cannabinoide in der Medizin. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2020, S. 218
  3. 3Anthony, A. T., Rahmat, S., Sangle, P., Sandhu, O. & Khan, S. Cannabinoid Receptors and Their Relationship With Chronic Pain: A Narrative Review. (2020).
  4. 4Kirsten R. Müller-Vahl, Franjo Grotenhermen; “Cannabis und Cannabinoide in der Medizin” Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2020, S. 138
  5. 5Abschlussbericht der Begleiterhebung nach § 31 Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis-als-Medizin/Begleiterhebung/_node.html;jsessionid=C8FE79E517C28C0C0ACFEEDEA12CA3A2.internet282
  6. 6Bilbao, A. & Spanagel, R. Medical cannabinoids: a pharmacology-based systematic review and meta-analysis for all relevant medical indications. BMC Med 20, (2022).
  7. 7The National Academies of Sciences Engineering and Medicine (U.S.) Comittee on the health effects of marijuana: an evidence review and research agenda. The health effects of cannabis and cannabinoids: the current state of evidence and recommendations for research. Washington, DC: the National Academies Press (2017).
  8. 8Ferro, E. S. et al. Cannabinoid Therapeutics in Chronic Neuropathic Pain: From Animal Research to Human Treatment. (2021).
  9. 9de Vita, M. J., Moskal, D., Maisto, S. A. & Ansell, E. B. Association of Cannabinoid Administration With Experimental Pain in Healthy Adults: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Psychiatry 75, 1118–1127 (2018).
  10. 10Boehnke, K. F., Litinas, E. & Clauw, D. J. Medical Cannabis Use Is Associated With Decreased Opiate Medication Use in a Retrospective Cross-Sectional Survey of Patients With Chronic Pain. J Pain 17, 739–744 (2016).
  11. 11Walsh, J. H. et al. Treating insomnia symptoms with medicinal cannabis: a randomized, crossover trial of the efficacy of a cannabinoid medicine compared with placebo. Sleep 44, (2021).



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