Endocannabinoidsystem

Cannabis wird seit Tausenden von Jahren als Medizin genutzt (für weitere Details, siehe Geschichte), aber die Wirkstoffe in der Pflanze und die passenden physiologischen Bindungsstellen (Rezeptoren) wurden erst vor einigen Jahrzehnten entdeckt.

Die am häufigsten in Cannabis vorkommenden Inhaltsstoffe, THC und CBD, sind Phyto-Cannabinoide (von Pflanzen hergestellte Cannabinoide), die in den 1960er Jahren genauer beschrieben wurden. Die Suche nach der physiologischen Bindungsstelle für das euphorisierende THC führte Anfang der 1990er Jahre zur Entdeckung von zwei neuartigen Rezeptoren, die folglich Cannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2) genannt wurden. Die körpereigenen Moleküle, die an diese Rezeptoren binden, wurden analog Endocannabinoide (im Körper hergestellte Cannabinoide) genannt. Zusammen mit den Enzymen, die für den Auf- und Abbau der Endocannabinoide sorgen, bilden die beiden Komponenten das Endocannabinoidsystem (ECS)1,2.

Das ECS ist ein essenzielles und evolutionär hochkonserviertes physiologisches System im Menschen wie auch in Tieren. Es trägt dazu bei, verschiedene wichtige Körperfunktionen im Gleichgewicht zu halten, z.B. Appetit, Energieumsatz, Schmerzwahrnehmung, Stimmung, Gedächtnis, Temperatur, Immunreaktionen, und viele mehr3. Dies erklärt möglicherweise, weshalb Cannabis für die Behandlung eines breiten Spektrums von Symptomen eingesetzt werden kann.

Die beiden Haupt-Rezeptoren des ECS (CB1 und CB2) sind G-Protein gekoppelte Rezeptoren, die bei Aktivierung Signalkaskaden anstoßen; sie unterscheiden sich jedoch bezüglich ihrer Gewebeverteilung und ihrer Funktion. Beide Rezeptoren sind im gesamten Körper exprimiert, wobei im zentralen Nervensystem (ZNS) die Dichte an CB1 besonders hoch ist; CB2 Rezeptoren findet man vor allem auf Immunzellen und ihre Anzahl steigt nach Gewebsverletzung oder im Falle einer Entzündung2,4.

Verteilung der Endocannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2) im Körper

Verteilung der Endocannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2) im Körper

Die als erstes entdeckten und am besten charakterisierten Endocannabinoide sind Anandamid (AEA, Ananda ist Sanskrit und bedeutet “Glückseligkeit”) und 2-Arachidonoylglycerol (2-AG). AEA bindet und aktiviert CB1 stärker als CB2, während 2-AG beide Rezeptoren gleich stark bindet und aktiviert. Die Endocannabinoide werden von den Enzymen FAAH (AEA) und MAGL (2-AG) abgebaut1,4.

Die hauptsächlichen Phyto-Cannabinoide THC und CBD binden unterschiedlich stark an CB1 und CB2. THC bindet und aktiviert beide Rezeptoren, während CBD nur sehr schwach an die konventionellen (orthosterischen) Bindungsstellen von CB1 und CB2 bindet. Stattdessen bindet CBD stärker an einer anderen (allosterischen, d.h. modulierenden) Bindungsstelle am CB1 Rezeptor. Dadurch verändert es die Bindungskapazität des CB1-Rezeptors für andere Moleküle, unter anderem Endocannabinoide und THC5. Außer der CB1 und CB2 vermittelten Wirkung entfalten die Endo- und Phyto-Cannabinoide ihre pharmakologischen Effekte auch durch Wechselwirkung mit anderen Rezeptoren. Für mehr Details enthalten die Quellenangaben unten eine Reihe wissenschaftlicher Artikel zu dem Thema3,4,6.

Interaktion von Cannabinoiden und Endocannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2)

Interaktion von Cannabinoiden und Endocannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2)

Zusätzlich zu den Haupt-Cannabinoiden THC und CBD wird vermutet, dass auch andere Komponenten der Pflanze wie z.B. die weniger häufigen Cannabinoide, Terpene und Flavonoide nützliche therapeutische Wirkungen besitzen und sie möglicherweise in Kombination sich gegenseitig in ihrer Wirkung beeinflussen können. Dies wird als “Entourage-Effekt” bezeichnet7. Die Wirkmechanismen sind für die unbedeutenderen sekundären Inhaltsstoffe der Pflanze allerdings kaum erforscht und weitere Forschungsarbeit ist nötig, um das Thema ausgiebig zu beleuchten.




Quellenangaben

1. Howlett, A. C. & Abood, M. E. CB1 and CB2 Receptor Pharmacology. Advances in Pharmacology 80, 169–206 (2017).

2. Zou, S. & Kumar, U. Cannabinoid Receptors and the Endocannabinoid System: Signaling and Function in the Central Nervous System. International journal of molecular sciences 19, (2018).

3. Lowe, H. et al. The endocannabinoid system: A potential target for the treatment of various diseases. International Journal of Molecular Sciences vol. 22 (2021).

4. Lu, H. C. & MacKie, K. An introduction to the endogenous cannabinoid system. Biological Psychiatry vol. 79 516–525 (2016).

5. Zagzoog, A. et al. In vitro and in vivo pharmacological activity of minor cannabinoids isolated from Cannabis sativa. Scientific Reports 10, (2020).

6. Morales, P., Hurst, D. P. & Reggio, P. H. Molecular Targets of the Phytocannabinoids-A Complex Picture. Progress in the chemistry of organic natural products 103, 103 (2017).

7. Russo, E. B. Taming THC: Potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects. British Journal of Pharmacology vol. 163 1344–1364 (2011).