Möglichkeiten der Anwendung

Lerne den rechtlichen Rahmen, die Bedingungen zur Kostenübernahme durch eine Krankenkasse sowie verschiedene Arten cannabinoidhaltiger Medikamente kennen.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland erlauben bei entsprechender medizinischer Indikation den therapeutischen Einsatz von Cannabisprodukten auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Privatversicherungen und für Selbstzahler.

Verschiedene Arten von Cannabinoid-Medikamenten

Es gibt drei Hauptkategorien von medizinischen Cannabisprodukten, die in Deutschland erhältlich sind und schwerkranken Patient*innenen verschrieben werden können: cannabinoidhaltige Fertigarzneimittel, Cannabisblüten sowie Cannabis-Extrakte und -präparate1,2. Die Fertigarzneimittel enthalten entweder synthetische Cannabinoide, Cannabinoid-Isolate oder ein breites Spektrum an Cannabinoiden, Terpenen, Flavonoiden etc. aus der Pflanze (siehe Tabelle unten für weitere Informationen zu den drei Kategorien). Cannabisblüten und viele Cannabis-Extrakte/-präparate enthalten das gesamte Spektrum an Cannabinoiden, Terpenen, Flavonoiden, etc.

Unterschiede zwischen cannabinoidhaltigen Produkten

Unterschiede zwischen cannabinoidhaltigen Produkten3.

Kriterien für die Verschreibung und Kostenübernahme durch die Krankenversicherung

Jede*r niedergelassene Ärzt*in, ausgenommen Tier- und Zahnärzt*innen, kann schwerkranken Patient*innen cannabinoidhaltige Produkte verordnen, sofern Standardtherapien nicht zur Verfügung stehen, keine optimale Wirkung zeigen oder unzumutbare Nebenwirkungen verursachen.

Die Kriterien für die Verschreibung von Cannabis mit Kostenübernahme durch die Krankenversicherung lauten in Kürze:

  1. 1Der*die Patient*in hat eine oder mehrere Indikationen, die als schwerwiegende Erkrankung eingestuft werden.

  2. 2Die Erkrankung ist therapieresistent, Standardtherapien stehen nicht zur Verfügung oder die Nebenwirkungen der Standardtherapie sind unzumutbar, da sie sich negativ auf die Lebensqualität auswirken.

  3. 3Der*die Ärzt*in entscheidet aufgrund von Anamnese, Krankengeschichte, publizierten Fallstudien, Beobachtungsstudien oder klinischen Studien, dass sich der Einsatz von Cannabinoiden möglicherweise positiv auf den individuellen Befund, Krankheitsverlauf oder die Lebensqualität des*der Patient*in auswirken könnte.

Nach deutschem Recht ist die Verschreibung von Cannabis nicht auf bestimmte Indikationen beschränkt, es gilt die Therapiehoheit des*der behandelnden Ärzt*in.

Es gibt bisher nur wenige große randomisierte klinische Studien, welche die Wirksamkeit und Sicherheit von medizinischem Cannabis in der Behandlung spezifischer Indikationen untersuchen. Aus diesem Grund muss die Aussage „keine Evidenz“ oder „schwache Evidenz“ nicht notwendigerweise bedeuten, dass verlässliche und gut konzipierte Studien Hinweise auf eine „negative Evidenz“ ergeben haben, vielmehr können solche Aussagen darauf zurückzuführen sein, dass noch keine ausreichende wissenschaftliche Daten vorliegen. Ärzt*innen sind somit sehr auf das Feedback ihrer Patienten angewiesen, um die Wirksamkeit und Nebenwirkungen individuell bewerten zu können.

Die Wissenschaftsakademie National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine in den Vereinigten Staaten hat in einem Bericht, dem Literaturstudien zu Grunde lagen, zusammengefasst, für welche Indikationen es eine „starke Evidenz“ für die Behandlung mit medizinischem Cannabis gibt. Diese umfassen vor allem chronische Schmerzen bei Erwachsenen, Übelkeit und Erbrechen in Folge von Chemotherapie und Spastizität bei Multipler Sklerose4. Allerdings deuten Erfahrungswerte von Ärzt*innen und Patient*innen darauf hin, dass medizinisches Cannabis eine sichere und wirksame Therapieoption für weitaus mehr Indikationen sein könnte5.

Die unten stehende Tabelle zeigt Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung, einer Beobachtungsstudie, die den tatsächlichen Einsatz von medizinischem Cannabis in den Jahren 2017-2022 in Deutschland dokumentiert. Zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse im Mai 2020 lagen 10.010 vollständige Datensätze vor2. Die Tabelle zeigt vor allem Indikationen auf, bei denen die Verschreibung von medizinischem Cannabis über die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) abgerechnet wurde, da nur in diesem Fall die Teilnahme an der Begleiterhebung zwingend erforderlich war.

Zwischenauswertung der Daten aus der deutschen Begleiterhebung zum tatsächlichen therapeutischen Einsatz von medizinischem Cannabis.

Zwischenauswertung der Daten aus der deutschen Begleiterhebung zum tatsächlichen therapeutischen Einsatz von medizinischem Cannabis2.

70% der Patient*innen, die Cannabinoide zum Schmerzmanagement erhielten, vermeldeten eine Symptomlinderung. 79% der männlichen und 86% der weiblichen Multiple-Sklerose-Patienten schätzten ihre Spastizität als verbessert ein. Wurde die Therapie mit Cannabis abgebrochen, lag es indikationsübergreifend in 39% der Fälle an einer nicht zufriedenstellenden Wirksamkeit und in 25% der Fälle an den Nebenwirkungen. Häufige Nebenwirkungen waren leicht bis mittelschwer, z.B. Müdigkeit, Schwindel, Schläfrigkeit, Mundtrockenheit und Übelkeit2.



Quellenangaben

1. Johannes Horlemann Norbert Schürmann, med. DGS-PraxisLeitlinie Cannabis in der Schmerzmedizin (2018).

2. Schmidt-Wolf, G. & Cremer-Schaeffer, P. 3 Jahre Cannabis als Medizin – Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 64, 368 (2021).

3. First Wednesdays, Hanway Associates & The Danish Ministry of Foreign Affairs. European Medical Cannabis Ecosystem Report (2020).

4. The National Academies of Sciences Engineering and Medicine (U.S.) Committee on the health effects of marijuana: an evidence review and research agenda. The health effects of cannabis and cannabinoids: the current state of evidence and recommendations for research. Washington, DC: the National Academies Press (2017).

5. Cannabisbureau.nl. Information for pharmacists and healthcare professionals. (2021).